Das Eigenheim verkaufen oder vererben?
Das eigene Zuhause hat einen hohen emotionalen Stellenwert. Meist hat sich ein Grossteil des Lebens darin abgespielt. Viele wertvolle Erinnerungen sind mit den eigenen vier Wänden verbunden. Kein Wunder, ist es der Wunsch vieler Immobilienbesitzer, ihre Liegenschaft innerhalb der Familie weiterzugeben.
Die Erbschaft ist eine komplexe Angelegenheit und es gilt diverse Faktoren zu berücksichtigen. Unser Ratgeber vermittelt Ihnen einen Überblick und zeigt auf, welche Tücken beim Vererben von Immobilien nicht ausser Acht gelassen werden dürfen.
Verkaufen oder vererben, das ist die Frage. Wie auch immer Ihre Entscheidung ausfallen wird, wichtig ist, dass sie wohl überlegt und mit Überzeugung getroffen worden ist. Wir hoffen mit diesem Ratgeber eine geeignete Entscheidungshilfe für Sie geschaffen zu haben.
Objektiv betrachtet ergeben sich Vor- und Nachteile bei beiden Varianten. Die folgende Darstellung verschafft Ihnen einen Überblick. Überlegen Sie sich kurz, welche Bedeutung die einzelnen Punkte für Sie haben.
Bei der Entscheidung, ob der Verkauf oder die Weitergabe Ihres Eigenheims für Sie
in Frage kommt, führt kein Weg am Erbrecht vorbei. Lesen Sie jetzt, wer Anspruch
auf Ihr Erbe hat und welche Tücken beim Vererben einer Immobilie nicht ausser
Acht gelassen werden dürfen.
Die Erbschaftsplanung sollte früh genug angegangen werden, denn nur so können
Sie sicherstellen, dass die Weitergabe Ihres Eigenheims auch wirklich Ihrem Willen
entspricht. Ohne konkrete Anweisungen wird das Erbe nach den gesetzlichen
Bestimmungen aufgeteilt - ohne Rücksicht, ob dies Ihrem Sinne entsprochen hätte.
Eine Familie, ein Stamm. Das Erbrecht richtet sich nach dem Verwandtschaftsgrad,
beziehungsweise nach der sogenannten Stammesordnung. Hierbei wird eine Unterteilung in die folgenden drei Stämme vorgenommen:
Stammesordnung
1. Stamm
Haupterben sind direkte Nachkommen sowie deren Kinder und Kindeskinder.
2. Stamm
Eltern des Erblassers und sämtliche Personen, die von diesen abstammen.
3. Stamm
Grosseltern des Erblassers und alle Personen, die von diesen abstammen.
In der der Erbfolge wird immer zuerst der erste Stamm berücksichtigt. Sollte es aus diesem Stamm keine Erben geben, kommt der zweite und schliesslich der dritte Stamm an die Reihe. Innerhalb eines Stammes ist die Erbfolge von oben nach unten bestimmt. So wird grundsätzlich an die nächste Generation vererbt. Die direkten Nachkommen kommen also zuerst zum Zug.
Obgleich nicht in der Stammesordnung berücksichtigt, gehören die Ehefrau oder der Ehemann respektive die eingetragene Partnerin, der eingetragene Partner natürlich zu den gesetzlichen Erben. Konkubinatspartnern oder Lebensgefährten steht jedoch kein gesetzlich festgelegter Erbteil zu. Sie können nur im Rahmen der freien Quote begünstigt werden.
Ohne konkrete Anweisungen, bestimmt das Gesetz ganz genau, wer wie viel von Ihrem Erbe erhält. Um sicherzustellen, dass die Weitergabe Ihres Eigenheims Ihrem Willen entspricht, müssen Sie also die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen und aktiv werden. Die gesetzliche Erbregelung kann mit einem Testament oder Erbvertrag abgeändert werden. Es gelten jedoch Einschränkungen. Bestimmten Erben steht ein Mindestanteil am Gesamtnachlass zu. Dieser sogenannte Pflichtteil kann nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Was neben dem Pflichtteil noch übrig bleibt, ist die sogenannte freie Quote. Über diese können Sie, wie der Name schon sagt, ganz frei verfügen.
Revidiertes Erbrecht ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten:
Mit dem neuen Recht können Erblasser künftig über einen grösseren Teil ihres Nachlasses bestimmen.
Laut Gesetz erben direkte Nachkommen immer zu gleichen Teilen. Um dies zu gewährleisten, gibt es die sogenannte Ausgleichspflicht. Übersteigt der Erbvorbezug den Anteil, der dem Beschenkten zusteht, muss die Differenz gegenüber den anderen Nachkommen ausgeglichen werden. Die Problematik bei Immobilien besteht darin, dass der Erbwert an das Haus gebunden ist und nicht als Geld vorhanden ist. Für den Erbausgleich muss die entsprechende Summe also separat aufgebracht werden.
Es gibt einen Weg die Ausgleichspflicht zu umgehen. Die Weitergabe muss ausdrücklich als «nicht ausgleichspflichtige Schenkung» bezeichnet werden. In diesem Fall muss der Begünstigte sich den Wert der Liegenschaft nicht an seinen Erbteil anrechnen lassen und ist somit von der Ausgleichspflicht befreit.
Achtung: Auch eine «nicht ausgleichspflichtige Schenkung» darf die Pflichteile der anderen Erben nicht verletzen. Tut sie dies doch, sind benachteiligte Erben berechtigt ihren Pflichtteil zu verlangen.
Bei der «gemischten Schenkung» wird das Eigenheim unter dem Marktwert an eines der Kinder verkauft. Beim späteren Erbgang besteht auch hier eine Ausgleichspflicht gegenüber den Geschwistern. Folgende zwei Punkte sind zu beachten:
- Die Schenkung muss ausgeglichen werden. Hierbei wird der damalige Marktwert dem effektiven Kaufpreis gegenübergestellt.
- Die Wertsteigerung der Immobilie muss berücksichtigt werden.
3. Checkliste
Geht mein Eigenheim mit mir in die Pension?
Das Eigenheim kann im Alter auch zu viel werden. Stellen Sie sich ein paar kritische Fragen und erhalten Sie so einen Anhaltspunkt, welche Vorgehensweise für Sie sinnvoll ist.
Finanzen
- Sind genügend Reserven für unvorhergesehene Ausgaben vorhanden?
- Sind die Wohnkosten auch bei einem Hypothekarzins von 5% weniger als ⅓ des Renteneinkommens?
- Ist der Unterhalt der Liegenschaft ohne grosse Investitionen möglich?
Gebäude
- Ist die Mobilität im Gebäude auch im Alter gewährleistet (Rollstuhlgängigkeit, Lift, etc.)?
- Wird die Wohnfläche auch nach dem Auszug der Kinder genutzt?
- Können anfallende Arbeiten problemlos erledigt werden (Putzen, Garten)?
Umgebung
- Sind ÖV, Einkaufsmöglichkeiten, Spital, Spitex in der Nähe?
- Sind Naherholungsgebiete und gleichaltrige Nachbarn vorhanden?
- Bleibt die Wohnqualität im Quartier unverändert?
Wenn Sie die meisten Fragen abhaken konnten, spricht nichts dagegen, Ihre Liegenschaft auch nach der Pensionierung zu behalten. Wurde die Mehrzahl der Fragen mit einem Kreuz versehen, sollte ein Verkauf oder die Weitergabe der Liegenschaft in Erwägung gezogen werden.
4. Steuern und Gebühren
Bei jedem Eigentümerwechsel fallen Kosten an. Es lohnt sich vorab abzuklären, welche steuerlichen Auswirkungen die Weitergabe des Eigenheims mit sich bringt. Verschaffen Sie sich auf den folgenden Seiten einen Überblick. Die resultierende Steuerbelastung kann die Basis für strategische Entscheide sein.
Eine gute Nachricht vorweg: Ehepartner und direkte Nachkommen bezahlen in den meisten Kantonen bei der Weitergabe von Liegenschaften weder Erbschafts-, noch Schenkungs- noch Handänderungssteuern. Die Grundstückgewinnsteuer kann in den meisten Fällen aufgeschoben werden.
Grundstückgewinn- und Handänderungssteuer
Die Grundlage für die Berechnung der Grundstückgewinnsteuer bildet zum einen die Differenz zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis und dem von einem Experten geschätzten Verkehrswert zum Zeitpunkt der Weitergabe. Ein weiterer Faktor ist die Besitzdauer. Je länger man die Liegenschaft besessen hat, desto tiefer fällt der Satz für die Grundstückgewinnsteuer aus.
Die Grundstückgewinnsteuer und was Sie dazu wissen müssen in unserem Artikel.
Geben Sie Ihr Eigenheim als Schenkung oder Erbvorbezug weiter, wird die Grundstückgewinnsteuer aber nicht sofort fällig, sondern wird aufgeschoben. Konkret heisst das: Solange Erben die Liegenschaft behalten, müssen keine Steuern bezahlt werden. Bei einem Verkauf der geerbten Liegenschaft, gilt zu beachten, dass als Basiswert nicht der geschätzt Verkehrswert zum Zeitpunkt der Schenkung verwendet wird. Es wird mit dem aktuellen Verkaufspreis gerechnet.
Die Weitergabe einer Liegenschaft innerhalb der Familie ist auch eine sogenannte Handänderung. Dafür erheben die meisten Kantone eine Handänderungssteuer, die ein bis drei Prozent vom Marktwert der Immobilie ausmacht. Informieren Sie sich beim zuständigen Notariat, was in Ihrem Kanton gilt.
Erbschafts- und Schenkungssteuer
In den verschiedenen Kantonen sind die Höhe der Steuern sehr unterschiedlich. Die Kantone Schwyz und Obwalden kennen als einzige Kantone keine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Der Standortkanton der Immobilie ist also ausschlaggebend für die Höhe der Besteuerung. Der steuerbare Wert ist in der Regel der aktuelle Verkehrswert. Dieser wird von der zuständigen Behörde ermittelt.
Das Steuermäppchen der eidgenössischen Steuerverwaltung gibt Ihnen Auskunft, wie die Besteuerung in Ihrem Kanton geregelt ist.
Sie planen Ihre Liegenschaft an eine Drittperson oder in der weiter entfernten Verwandtschaft, beispielsweise an eine Nichte, weiterzugeben? Diesem Szenario gilt es besondere Beachtung zu schenken, denn in diesem Fall werden happige Schenkungssteuern fällig. Je nach Kanton betragen diese zwischen 25 bis 50 Prozent des geschätzten Verkehrswerts. So kann eine gut gemeinte, grosszüge Schenkung plötzlich zum Problem werden. In einem solchen Fall empfiehlt es sich einen Experten hinzuzuziehen. Mit einer gut durchdachten Vorgehensweise lässt sich die Höhe der Steuer allenfalls optimieren.
Anfallende Gebühren
Wenn eine Liegenschaft innerhalb der Familie weitergegeben wird, fallen dieselben Gebühren an wie bei einem Verkauf. Neben den Notariats- und Grundbuch-gebühren fallen allenfalls Kosten für die Errichtung eines Schuldbriefs an. Falls ein bereits bestehender Schuldbrief übernommen werden kann, fallen die Gebühren für dessen Anpassung tiefer aus. Die Höhe der Gebühren sind von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Das zuständige Notariat in Ihrem Kanton steht Ihnen für Auskünfte zur Verfügung.
Wer die Bezahlung der Gebühren übernimmt, können Sie bei einem Erbvorbezug oder einer Schenkung selber regeln. In der Praxis werden die Gebühren meist vom Erblasser übernommen.
Zeit sich ein paar Fragen zu stellen
Nehmen Sie sich einen Moment und gehen Sie die unten aufgeführten Fragen durch. Die Reflexion dient zur Standortbestimmung und ermöglicht Ihnen die weiteren Schritte in Ihrer Erbplanung anzugehen.
Erbschaft
- Haben Sie einen potenziellen Erben im Kopf, der an Ihrer Liegenschaft interessiert sein könnte?
- Ist eine gerechte Aufteilung Ihres Vermögens möglich?
- Wo stehen Sie bei der Nachlassplanung? Besteht bereits ein Erbvertrag oder ein Testament?
Liegenschaft
- Kenne Sie den aktuellen Marktwert Ihrer Immobilie?
- Wie hoch wird die Grundstückgewinnsteuer ausfallen?
- Wie ist der Zustand der Liegenschaft? Müssen Renovationen oder eine Sanierung getätigt werden?
Verkauf
- Welcher Gewinn würde Ihnen bei einem Verkauf zukommen?
- Wie gestaltet sich der Markt momentan? Ist aktuell der richtige Zeitpunkt Ihre Immobilie zu verkaufen?